Frauen

Frauen-Darstellungen waren die beliebtesten Motive der Reise­bilder. Sie zeigen ausschließlich junge, attraktive Japaner­innen im traditionellen Gewand; Alter und körperliche Makel wurden negiert. Augen­fällig spiegeln die Darstellungen die subjektive Sichtweise der Reisemaler, ihre Fantasien und Sehnsüchte wider: Im deutsch­sprachigen Japan-Diskurs spielte das Motiv der Geisha eine zentrale Rolle. Sie wurde in Europa als Japanerin per se wahrgenommen und mit Attributen wie Weiblich­keit, Erotik, Gefügigkeit, Rechtlosigkeit und Unterwürfigkeit bedacht. Sie wurde aber auch mit Künstlertum, Schönheit, Galanterie, Kultiviertheit und Mode­bewusstsein in Verbindung gebracht.

Im Gegensatz zu der eigenen Wirklichkeit, in der Frauen immer aktiver in der Öffentlichkeit auftraten, politische Mitbestimmung, das Recht auf Erwerbstätigkeit und die Teilnahme an Wahlen ein­forderten, sah man in der Japanerin eine Bewahrerin des traditionellen Rollen­bildes. Die Reise­bildnisse knüpfen einerseits an Wunsch­vorstellungen und andererseits an bereits vorhandene Bilder an. Dazu gehören die japanischen Farbholz­schnitte und die Studiofotografien. Sie fokussieren die Schönheit der Porträtierten und bilden diese bei der Toilette, im Bad, beim Tanz oder beim Musizieren ab, also bei Aktivitäten, die weiblich konnotiert sind.

Franz Hohenberger
Geisha mit Tabakpfeife

Öl auf Leinwand
46 × 60 cm
Sammlung Peter Pantzer

Mitten im Raum kniet eine junge Geisha in einem schlichten Gewand. Sie raucht aus einer langen, schmalen Pfeife und blickt den Bildbetrachter an. Im Zimmer befinden sich allerlei Gegenstände, die mit der Tätigkeit einer Geisha in Verbindung gebracht werden: ein Teekessel, Porzellantassen, Accessoires für die Toilette, eine Laute, ein Blumengesteck sowie eine in der Wandnische angebrachte Hängerolle. Auf einer Kommode im Bildhintergrund sitzt eine Puppe, sie befindet sich auf Augenhöhe mit der dargestellten Japanerin. Unweigerlich stellt der Bildbetrachter gedanklich eine Verbindung zwischen ihr und der Puppe her. Wie das Spielzeug wird die Geisha als liebliches und willenloses Objekt im Arrangement wahrgenommen und damit entindividualisiert. Dies ist konform zu den Berichten europäischer Reisender, in denen die Japanerin häufig als niedliche Puppe beschrieben wurde.

Friedrich Capelari
Dame mit Pekinesenhündchen

Farbholzschnitt
38,6 × 17,5 cm
Sammlung Peter Pantzer

Friedrich Capelari
Dame im Schnee

Farbholzschnitt
39,2 × 17,3 cm
Sammlung Peter Pantzer

Friedrich Capelari
Dame vor einem Spiegel

Farbholzschnitt
41 × 18 cm
Sammlung Peter Pantzer

Friedrich Capelari
Dame im Regen

Farbholzschnitt
39,4 × 17,3 cm
Sammlung Peter Pantzer


Die vier Grafiken wurden von dem Verleger Watanabe Shozaburo in der shin-hanga-Technik gedruckt. Friedrich Capelaris Malästhetik war hierfür ideal, suchte Watanabe doch nach einem Künstler, der einerseits die Malerei im westlichen Stil studierte und andererseits Anknüpfungspunkte zum Ukiyo-e hatte. Innerhalb eines Jahres entstanden mehrere Drucke, zu denen die hier ausgestellten Arbeiten gehören. Offenkundig sind die Farbholzschnitte Reaktionen auf die Tradition der bijin-ga (Darstellung von schönen Frauen) — sowohl thematisch als auch stilistisch. Im steilen Hochformat ähnlich der Hängerollen zeigen sie eine Japanerin mit ihrem Hündchen, beim Frisieren vor dem Spiegel sowie beim Spaziergang durch den Regen, bzw. Schnee. Es sind Bildmotive, die im Ukiyo-e häufig dargestellt werden. Wie in den Farbholzschnitten der Edo-Zeit arbeitet Capelari flächig, reduziert Details, beschneidet Objekte am Bildrand und verzichtet auf modellierende Schatten. Dennoch beinhalten die Arbeiten eine moderne Formensprache.
So wird der Bildhintergrund ebenso wie der Boden
mit feinen Linien strukturiert. Die Gesichter haben weichere Konturen und nähern sich dem westlichen Schönheitsideal an. Die Gewänder sind dagegen blockhaft, mit wenigen faltenerzeugenden Linien ausgeführt.

Karl Walser
Tänzerin
in: B. Kellermann, »Sassa yo Yassa. Japanische Tänze« 4. Auflage, 1922
Lichtdruck nach Originalzeichnung
Städtische Galerie Villingen-Schwenningen

Die kleine Zeichnung stellt einen Moment im Tanz dar. Walser porträtiert die Tänzerin im Dreiviertelprofil, sodass die Pose mit geneigtem Kopf und angewinkelten Armen deutlich zu sehen ist. 

Der Text neben der Grafik beschreibt den »Teufelstanz«, die Illustration gibt jedoch keinen konkreten Moment aus den Beschreibungen wieder. Vielmehr unterstützt Walsers Zeichnung die impressionis-tische Sprache des Autors, wodurch die Leser beim Betrachten der »lieblichen« Tänzerin mit auf die Reise genommen und zum Träumen animiert werden.

Emil Orlik
Mutter und Kind

in: »Aus Japan«, Blatt 7 der Mappe
Radierung
24,6 × 16 cm
Sammlung Peter Pantzer

Einfühlsam schildert Orlik die vertraute Verbindung zwischen einer jungen Mutter und ihrem Kind. Es ist eine ungekünstelte, natürlich anmutende Darstellung, die wohl aus Beobachtungen des Straßenlebens resultiert. Den Japaner*innen sagte man eine besonders enge Beziehung zu ihren Kindern nach; dies steht im Einklang mit der Idyllen-Vorstellung von Japan. Viele Darstellungen zeigen Mütter, die ihre Kinder im Tuch gebunden auf dem Rücken tragen. In der »Bibel« über japanische Gepflogenheiten (Basil Hall Chamberlain, »Things Japanese«, 1890) bezeichnete der Autor Japan als ein »Paradies der Kinder«. Ihnen wurden einerseits außerordentlich gute Manieren nachgesagt und andererseits erführen sie eine besonders liebevolle Behandlung von ihren Eltern. Diese Vorstellung »bestätigte« auch der Maler Karl Walser in einem Brief an seine Schwester.

Emil Orlik
Japanisches Mädchen im Profil

Kohlezeichnung aus Skizzenbuch
20,2 × 13,1 cm
Sammlung Peter Pantzer

Emil Orlik fertigte auf Reisen unzählige kleine Skizzen von jungen Japanerinnen wie diese Kohlezeichnung an. Im Gegensatz zu der Farbradierung
Mädchen aus Niigata zeichnet Orlik das Gesicht des Mädchens detaillierter und dadurch lebendiger, der Kimono ist dagegen nur mit wenigen Strichen umrissen.  

Emil Orlik
Mädchen aus Niigata (Die Kurtisane)

in: Mappe »Aus Japan«, Blatt 2
Farbradierung
24,7 × 16 cm
Sammlung Peter Pantzer

Das Halbfiguren-Porträt zeigt eine Kurtisane im Profil. Sittsam ruhen ihre Arme auf dem Schoß. Während das Gesicht maskenhaft ist und wenig Individualität zeigt, sind der blütenverzierte Kimono und der obi detailliert wiedergegeben. Auf diese Weise wirkt die abgebildete Frau wie ein dekorativer Gegenstand. Sie gehört zu dem Typus der »geheimnisvollen Geisha«, in diesem Fall ist es eine Kurtisane.