Japan­sehn­sucht und Japan­mode

In den europäischen Groß­städten des 19. Jahr­hunderts war Japan plötzlich in aller Munde — doch wie kam es dazu? Grund­legend dafür war zunächst die erzwungene Öffnung Japans durch amerikanische Kriegsschiffe im Jahr 1853/54. Der Inselstaat hatte sich bis dahin für mehr als 200 Jahre selbst von der Welt isoliert, wodurch Handel nur unter großen Restriktionen möglich war. 

Nach der Landesöffnung gelangten japanische Kunst und Kulturgüter massenhaft nach Europa und wurden auf den Weltausstellungen präsentiert. Dort begeis­terten sie ein großes Publi­kum, das empfänglich war für „allerlei Exotisches“ und sich nach einer anderen Realität abseits der industriellen Großstädte sehnte. Zudem erkannte man, dass die japanischen Handwerks­produkte von herausragender Qualität waren und dem eigenen Kunst­handwerk neue Impulse geben konnten. 

Man könnte sagen, Japan kam zum passenden Zeit­punkt an den richtigen Ort. Dies führte zu einer wahren Japan­mode, die sämtliche Lebens­bereiche durchdrang. Dabei fand die Begegnung überaus selektiv statt: Aspekte, die einen Gegenentwurf zu der eigenen Wirklichkeit bildeten, wurden heraus­gegriffen, betont und euphemistisch interpretiert. 

Franz Kollarz (1825 — 1894)
Der Garten der Japanesen

in: Über Land und Meer, Stuttgart, 1873, Nr. 40
Xylografie nach Originalzeichnung
20,6 × 26,7 cm
Sammlung Peter Pantzer

1873 fand die Weltausstellung in Wien statt. Diese globale Leistungsschau war ein wichtiger Meilenstein in der Rezeption japanischer Objekte im deutschsprachigen Raum. Um sich angemessen im Ausland zu präsentieren, hatte die japanische Regierung ein eigenes Ausstellungskomitee zusammengestellt. Mit mehr als 6.000 Exponaten aus sämtlichen Lebensbereichen begeisterte es das Wiener Publikum. Ergänzt wurden die Ausstellungsstücke um ein Ensemble von kleineren Pavillons, einem Teehaus, der Nachbildung eines Kyôtoer Tempels sowie einer Gartenanlage mit künstlichem Wasserfall. 

Kollarz Darstellung zeigt, wie das österreichische Kaiserpaar (Franz Joseph I. und Elisabeth) die japanische Anlage besichtigt. Die Szene wurde werbewirksam in der Zeitschrift »Über Land und Meer« veröffentlicht und trug sicherlich zur Popularität der japanischen Ausstellungssektion bei.

Alexander Rothaug (1870 — 1946)
Plakatentwurf für Maskenredoute

Feder, Tusche, Aquarell auf Naturpapier
54,5 × 34 cm
Sammlung Peter Pantzer

In den Großstädten wurden immer mehr Anlässe geschaffen, bei denen die neue Mode aus Japan zelebriert werden konnte. Im japanischen Salon, zu Teeveranstaltungen oder auf Maskenbällen stellten die Damen ihr Modebewusstsein zur Schau. Das dafür benötigte modische Zubehör konnten die Wiener bei dem k.u.k. Hoflieferanten Singer und dessen Firma Au Mikado erwerben. 

Der Plakatentwurf für eine Maskenredoute bewirbt ein solches Event mit einer eleganten Dame in Rückenansicht. Sie trägt einen roten Fantasie-Kimono, der keinen Anspruch auf Realität hat. Fächer und Porzellanvasen im Hintergrund dienen als Staffage für das japanische Ambiente.

Souvenir-Fächer der Wiener Weltausstellung

Farblithografie auf Holz
22,5 × 38 cm
Sammlung Peter Pantzer

Die japanische Ausstellungssektion wurde zu einem Publikumsmagnet. Insbesondere kleine, käuflich zu erwerbende »Souvenirs« wie Tassen, Kästchen und Fächer begeisterten die Besucher. So wurden pro Tag rund 3.000 Fächer verkauft, die bald in ganz Wien zu finden waren. Gestalterisch waren diese Accessoires an das europäische Publikum angepasst und bildeten etwa die zu einer Ikone gewordene Rotunde der Wiener Weltausstellung ab.

Rudolf Lechner (nicht bekannt)
Japanisches Kirschblütenfest

Fotografie
k.u.k. Hof- und Universitätsbuchhandlung (Wien), Albertina, Wien

Stolz zeigen sich mehrere Damen und ein Kind in japanischer Gewandung vor einer mit Lampions und Fächern dekorierten Architektur. Vermutlich haben sie an einem Kirschblütenfest teilgenommen, wie es beispielsweise 1901 von der Fürstin Pauline von Metternich-Winneburg zu Beilstein (1836 — 1921) auf dem Prater ausgerichtet wurde. Hier konnten die Teilnehmer*innen für eine kurze Zeit in eine andere, exotische Welt eintauchen. Die Fotografie bannte das ephemere Erlebnis auf Papier und kreierte eine visuelle Erinnerung.